Zwischen einem See und dem Meer in einem Pinienwald gelegen, ist das Geburtshaus von Heo Nan Seol Heon in Gangneung/Korea schon in geografischer Hinsicht ein besonderer Ort. Das Schicksal der hochtalentierten und früh verstorbenen koreanischen Schriftstellerin aus dem 16. Jh. die in dem Anwesen aufwuchs, gibt dem Ort heute neben der historischen auch emotionale Bedeutung – nicht nur für Schriftsteller und Poeten.
Bereits im letzten Jahr gab es eine Ausstellung bildender Künstlerinnen zu dem jährlichen Festival anlässlich des Geburtstages von Heo NanSeolHeon – organisiert und kuratiert von Zae-Hee Kim. (siehe Blogbeitrag vom April 2011)
Auch 2012 waren Künstlerinnen aus mehreren Ländern in der Ausstellung vertreten.
Die Arbeiten sind vielfältig und umfassen Malerei, Kalligrafie, Textilarbeiten, Collage, Video und Installationen.
Die Werke der Künstlerinnen füllen die kleinen schmucklosen Räume des Hauses plötzlich mit stillem und doch so beredtem Leben. So integrieren sich die Arbeiten ganz stillsschweigend in während des Festtages anderweitig genutzte Räume – wie zum Beispiel die Teezeremonie vor dem Bild Nan Seol Heons.
Die beiden Frauen tragen traditionelle koreanische Kleidung – den Hanbok.
Er besteht aus einem langen Unterkleid und einem kurzen Oberteil mit langen Ärmeln, das mit einer Schleife zusammengehalten wird.
Der Hanbock bildet auch das zentrale Motiv von Kyung-Shin Lee’s Arbeit. Sie verwendet einen Hanbok in gelb – rot, die Farben des Mädchens und der jungen Frauen im Korea der früheren Jahrhunderte.
Kyung-Shin Lee bricht die Einheit des Hanboks. Sie zerreißt ihn quasi und von der Einheit des Kleidungsstückes bleibt nur das rote Band welches die beiden Teile verbindet. Ein Rot, das zwischen Kraft und Blut angesiedelt ist. Begleitet von den auf die Leinwand genähten Linien entsteht eine Sogwirkung in beide Richtungen. Die Ambivalenz der Assoziationsmöglichkeiten von Tropfen und Federn, von Verletzung und Verbindung zerreißt ähnlich wie die beiden Kleidungsstücke, von denen sich eines am Boden zusammenzukrümmen scheint, während das Gegenstück sich Flügeln gleich aufschwingt.
Die Arbeit von Soon-Young Yang lässt Blumen assoziieren. Die Objekte schwingen im Wind leicht hin- und her. Das Unterteil der Blütenblätter erinnert an die Form des koreanischen „Bottari“ – jenes Stoffbündel, das das Nötigste für eine Reise enthält, aber auch die Schwere oder Bürde des Lebens der Frauen symbolisiert.
Balancierend auf den dünnen Metallstäben entsteht eine Bewegung, zugleich ist aber auch ein Ungleichgewicht in der Schwere von oben und der Fragilität unten zu spüren, ein Unterschied von Materialität und Leere.
Jeong-Won Heo spielt ebenfalls mit dem oben und unten, wie mit der Frage nach Realität und Abbildung. Die runden Spiegelscheiben auf dem Boden spiegeln die im Baum hängenden amorphen Objekte und bringen Baum und Objekt in eine Bildform. Das Bild als Spiegel des Lebens wie die Literatur?
Eun-Sook Lee baut mit klaren Formen Objekte wie Tische und Stühle, zum Teil beleuchtet und mit Schrift versehen. In der Ausstellung als zweidimensionales Werk zu sehen.
Einen wichtigen Stellenwert bezüglich der Verbindung zu den Schriften Heo Nan Seol Heons nehmen die Kalligrafien ein, die von Künstlerinnen aus Korea, Deutschland und Marokko gefertigt wurden: Nham-Hee Völkel-Song, Katharina Pieper, Hui-Ja Yoo und Naziha Bachir Alami. Leider ist die Arbeit von Naziha Bachir Alami nicht rechtzeitig eingetroffen, so dass hier kein Bild ihrer Arbeit gezeigt werden kann.
Haja visualrave spürt in ihren Videoaufnahmen dem Wissen und Bewußtsein um die Schriftstellerin Heo NanSeolHeon in der jungen Bevölkerung von Seoul nach.
Reine Malerei bringt Gae-Suk Park in die Ausstellung ein. Ihre zarten, aquarellhaft anmutenden Bilder verweisen über Naturthemen wie Baum, Berge, Wachstum, Vögel auf die ihnen innewohnende Symbolik von Freiheit und Gebundenheit. Nicht zufällig formt sich der alte Baumstamm zu einem Bergmassiv in Form eines Herzens.
Suk-Nam Yun verwendet altes Holz und montiert daraus neue Bedeutungen. In Verbindung mit der Musik von Joung-Hee Lee ist eine sehr beeindruckende Malerei auf der Holzmontage zu sehen. Das Holz in seiner Materialität wird nicht ausgeblendet, sondern in die Malerei integriert. Der überlange Arm ist mit Perlmutt bestückt – eine Anlehnung an eine alte koreanische Handwerkskunst. Die Verbindung der beiden Frauen steht wie ein Symbol für die emotionale Verbundenheit, die sich bei den Künstlerinnen trotz der verschiedenen Jahrhunderte findet.
„Fragrance of Dreams“ ist der Titel der Bildserie von Gabriele Fecher. Die Arbeiten basieren auf der Transparenz und dem Spiel mit dem Schatten.
Aus der Originalhandschrift HeoNanSeolHeons wurden einzelne Teile entnommen und in unterschiedliche Größen umgesetzt. Chinesische Schriftzeichen wie Sehnsucht, Blumen, Erde, Leere, Schnee und Pavillon -geschrieben von Heo NanSeolHeon- bilden die Basis für neue Bildwerke.
Realistische Blumenformen verbinden sich mit Teilen der Unterschrift NanSeolHeons und werden zu einem neuen Ganzen. Oder einzelne Schriftzeichen formen Landschaften, die an asiatische Tuschzeichnungen erinnern.
„Fragrance of Dreams“ ist eine poetische Umschreibung für die Fragilität und Ungreifbarkeit von HeoNanSeolHeons Dichtkunst und den in ihren Werken beschriebenen Feen- und Elfenreichen. Ihr schriftstellerischer Wunsch aus der harten und unglücklichen Wirklichkeit ihres Ehelebens zu entfliehen, die so im Kontrast zu ihrer glücklichen Jugend in Gangneung stand?
Das alljährliche Festival in Gangneung hält die Erinnerung an Heo Nan Seol Heon und ihre Familie lebendig. Gleichzeitig fordert es auch heraus zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der koreanischen Gesellschaft heute.
Ein Aufbruch … in alle Richtungen.