Farbwahrheiten?

Eine feine Palette von sanften Farbtönen im Spektrum von warmen Ockertönen, farbigem Grau, kühlen Grünnuancen, bis zu Ultramarin und Violetttönen:

Farben die unterschiedliche Stimmungen vermitteln, unterschiedliche Botschaften bergen.

An sich eine recht harmonische Farbgruppe – würden nicht alle den gleichen Anspruch haben: nämlich das Werk „Kreidefelsen auf Rügen“ von C.D. Friedrich abzubilden.
Die Farben der Palette wurde jeweils an der gleichen Stelle Bildern entnommen, die im Internet zu C.D. Friedrichs Werk zu finden sind:

Google Images zu den Stichworten „Rügen, Friedrich, Kreidefelsen“

 

Sucht man bei Google nach bestimmten Malereien öffnet sich oft eine breite Farbpalette ein und desselben Bildes. Welche Farbnuance dem Original entspricht ist selbst bei bekannten Bildern oft schwer festzustellen.

Der Wiedererkennungswert basiert in erster Linie auf der Form. Veränderungen in der Form fallen schnell ins Auge und werden als „Fehler“ registriert.

Bei der Farbe hingegen gibt man sich schon leicht mal mit einer abweichenden Version zufrieden oder „verbessert“ diese etwas am Photoshop, sei es in Sättigung, Farbton, Helligkeit oder Kontrast. Ein Nächster verwendet das Bild, bearbeitet es seinerseits usw.
Dass sich damit der gesamte Bildcharakter ändern kann scheint nebensächlich ob der Wiedererkennbarkeit.

Wie groß diese Unterschiede sind wird ersichtlich bei der Aneinanderreihung eines schmalen Meer-Ausschnittes aus den obigen Abbildungen der Ergebnisse der Google Bildersuche. Witterungen wie Nebel, Dunst, Regen oder Sonne, verschiedene Tages- und Jahreszeiten lassen sich zu den unterschiedlichen Farbstreifen assoziieren.

 

Die Farbwahl eines Künstlers trägt eine sensitive Botschaft in sich, übermittelt durch Farbtöne, Farbnuancen, Helligkeiten, Farbkombinationen.

Wenn auch nicht so dominant wie die Form hat die Farbe doch eine ihr eigene Sprache und ist eng verbunden mit dem emotionalen, unterbewußten Empfinden. Selbst leichte Abweichungen können erstaunliche atmosphärische Veränderungen bewirken.

Will man diese subtile und hochgradig spannende Ebene der visuellen Farbbotschaft des Künstlers entschlüsseln hilft die ganze Welt des Internets nicht mehr: da muss man sich auf den Weg zum Original* zu machen. Wenn auch mit Aufwand verbunden, dafür aber ohne Pixel, ohne Farbverfälschung – und ganz nah dran.

(Für die persönliche Begegnung mit Friedrichs Werk eine Anregung von Eckhard Fuhr:  „Selbstversuch mit Kreidefelsen“.)

Vielleicht ist man vor dem Original enttäuscht, dass das Bild etwas blasser wirkt, als man es „in Erinnerung“ hat, dann muss man halt beim nächsten Mal den Photoshopregler in die entgegengesetzte Richtung schieben.

Caspar David Friedrich wäre sicher dankbar dafür:

„Es ist einmal die Richtung unserer Zeit, sich überall in starken Färbungen zu gefallen, und auch die Maler überbieten sich einander darin, nicht etwa bloß, daß sie die Backen und Lippen ihrer Bildnisse schminken, sondern sogar die Landschaftsmaler übertreiben die Farben und schminken Bäume, Felsen, Wasser und Luft.“
C.D.Friedrich

Was Friedrich wohl zu seinen Abbildungen bei Google sagen würde?

*Das Original von Caspar David Friedrichs Bild „Kreidefelsen auf Rügen“ hängt in der Sammlung Reinhart in Winterthur in der Schweiz. Es ist um 1818 entstanden und gilt als eines der wichtigsten Werke der Romantik.

Nachtrag:

Ein anderes sehr bekanntes Bild von Caspar David Friedrich – Wanderer im Nebelmeer von 1818 – wurde als Motiv für eine eigene Interpreation von einem Studenten genutzt.
Dae Joong Kim ist Student für Produktdesign am Samsung Art- and Design Institute (sadi) in Seoul. Bild und Figur C.D.Friedrichs inspirierten ihn zu einer Übertragung in die real-estate-Politik in Korea, in der alte Häuser lediglich aus Spekulationsgründen gekauft werden mit der alleinigen Absicht sie abzureißen um an ihrer Stelle finanziell lukrative Hochbauten zu setzen.

C.D.Friedrich, 1818

Dae Joong Kim, Sadi Foundation Dep.

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