Vor einem nahezu magisch wirkenden dunklem Himmelsblau dominieren zwei Kreise die symmetrische Landschaft mit Wasserfällen und Bäumen.
„Irworobongdo“ ist der koreanische Name dieser auf einen faltbaren Wandschirm aufgemalten stilisierten Landschaft.
Das Motiv existiert in verschiedenen Variationen. Immer sind es eine Art Wandbilder, die in der Joseon Dynastie -der letzten königlichen Linie Koreas (1392-1897)- hinter dem Thron aufgestellt wurden.
Das Bild strahlt in seiner Intensität etwas majestätisch Erhabenes aus, zeitlos und archaisch zugleich. Die Größe an sich ist beeindruckend, aber es ist vor allem die klare Farb- und Formensprache, die die Faszination auslöst.
Die Farben wurden mit Fischleim aufgetragen, was ihre ungewöhnliche Brillanz ausmacht und zugleich für Wasserfestigkeit bürgt. Letzteres ist in dem feucht-heißen koreanischen Sommerklima eine Grundvoraussetzung für das Überdauern von Wandbildern.
Das Blau, das ebenso ein Nacht- wie ein tiefes Tagblau darstellen kann, erzielt durch den satten ungebrochenen Farbauftrag eine Sogwirkung, derer man sich als Betrachter kaum entziehen kann.
Die beiden Kreise stehen für Sonne und Mond. Dabei entspricht das Rot der kraftvollen Sonne, dem männlichen Prinzip zugeordnet oder auch dem Yangpol. Dementsprechend als Ausgleich auf der anderen Seite der helle Mond – das Weibliche, die Königin, das Yin symbolisierend. Beide Prinzipien gemeinsam repräsentieren die Balance der verschiedenen Kräfte
Interessant ist auch der nahezu streng symmetrische Aufbau mit nur kleinen Detailabweichungen, die den Eindruck der Natürlichkeit und die Spannung erhöhen.
Es ist ein Bild voll kraftvoller Statik, Bewegtheit und Ruhe zugleich.
Nur die Mitte ist merkwürdig leer. Dies erklärt sich durch die Funktion des Bildes.
Im Hintergrund des Thrones aufgestellt vervollständigte sich das Bild erst durch die Person des Herrschers.
Der König ist der zentrale Punkt des Bildes. In ihm laufen die Kraftlinien zusammen bzw. gehen von ihm aus. Er befindet sich in der Balance zwischen Yin und Yang, er verkörpert den Zentrumspunkt der herrschenden konfuzianischen Gesellschaftsordnung, der Welt und des gesamten Kosmos.
In den königlichen Palästen der Joseon-Dynastie gab es keine Porträts der amtierenden Könige. Dafür die prachtvollen Irworobongdo-Gemälde hinter jedem könglichen Thronsitz im Palast, die den König als Mittelpunkt des Universums abbilden, unabhängig von seinem individuellen Konterfei.
(In dem obigen Bild sieht man auch die traditionellen nach oben gezogenen Tür- und Fenstermechanismen.)
Die Joseon-Dynastie ging zu Ende und mit ihr die Königliche Herrschaft. Die Kraft und Faszination der in dieser Zeit entstandenen Bilder wirkt noch immer.
Etwa 20 dieser Irworobongdos gibt es noch – alle unsigniert. Die Namen ihrer Urheber sind in den Wogen der Jahrhunderte verschwunden.
Und so sieht es heute aus (fotografiert von Bjoern Steinz 2010):
Dank an Bjoern Steinz (Dokumentarfotograf) für den Bildbeitrag aus seiner Korea-Serie „A Beautiful Strange Dream“. Weitere Bilder aus der Serie und andere spannende Orte findet sich auf seiner Webseite: www.bjoern-steinz.com